Siegener Zeitung, 28.7.2016, Ausgabe Siegen, S. 6:
„Unerbittliche Bürokratie“
Freispruch von Bußgeldzahlung für Tierschutzvereinsvorsitzende
pebe Siegen. Was bekommt ein Tierschutzverein, der sich darum kümmert, herrenlose Hunde aus Griechenland aufzunehmen, aufzupäppeln und mit allen notwendigen Papieren und Informationen an Pflegestellen weiterzuvermitteln? Er bekommt einen Bußgeldbescheid wegen einer Ordnungswidrigkeit. So jedenfalls erging es einem Tierschutzverein aus dem niederbergischen Mettmann, der in Person seiner Vorsitzenden gestern vor Amtsgerichtsdirektor Dr. Paul Springer saß, weil die Vorsitzende sich gegen das Bußgeld wehrte.
Dr. Springer ließ keinen Zweifel daran, dass er den Fall, den er im Aktenordner aufblätterte, für „die beste Vorlage für Loriot“ halte. Denn er staune darüber, „was Behörden machen können“, bemerkte er.
Den Bußgeldbescheid hatte der Verein erhalten, weil er sich nicht an einen vorgegebenen Übermittlungsweg von Informationen gehalten hatte – bzw. halten konnte, wie die Vereinsvorsitzende erläuterte und wie auch Dr. Springer feststellte.
Der Fall: Der Verein hatte einen jungen Mischling an eine Pflegestelle im Kreis Siegen-Wittgenstein vermittelt und wollte das Tier von Griechenland nach Deutschland bringen. Dazu ist es nötig, dass zum Wohl des Tieres bestimmte Vorschriften eingehalten werden. Der Richter: „Der Hund hat alle erforderlichen Papiere und Bestätigungen über Schutz, Impfungen und Gesundheit erhalten, es war alles, wie es sein soll.“ Für den gewerbsmäßigen, in diesem Fall also regelmäßigen Transport von Tieren müssten aber erhöhte Anforderungen eingehalten werden, erklärte Dr. Springer, „was auch ganz sinnvoll ist“. Dazu gehöre die gleichzeitige Nachricht über den Transport an die Veterinärämter von Absende- und Ankunftsort, sprich: Griechenland und Siegen-Wittgenstein. Dazu müsse das EU-weite „Traces“-System genutzt werden, das der Verbesserung der Überwachung des Transports und so der Verbesserung des Tierschutzes und der Tierseuchenkontrolle diene. Auch Vereine könnten dort aufgenommen werden und sich von der zuständigen Behörde registrieren lassen.
Das, so Dr. Springer, habe der Tierschutzverein auch versucht, aber es habe lange gedauert, bis das niederbergische Veterinäramt die Zugangsnummer erteilt habe. „Und dann war in der Zwischenzeit dummerweise der Hund da, und der weiß von nichts“, so der Richter und wies auf das Foto eines Mischlings, der nach Hundeart ganz unverdächtig seine Zunge zeigte. Das Problem bei seinem Transport: der „Traces“-Zugang klappte nicht – der Veterinär im Absendeland Griechenland habe das „verbaselt“, erklärte nach der Verhandlung die Vereinsvorsitzende auf Nachfrage, dort funktioniere das Einpflegen ins System nur „sporadisch“.
Der Verein habe statt dessen entsprechende Mails mit allen erforderlichen Angaben zum aktuellen Hund an die Veterinärämter im Bergischen Land und Siegen-Wittgenstein geschickt. Aber das „richtige Formular fehlte“, so Dr. Springer, „und da hat der Bürger sein Recht verloren“. Die „unerbittliche Bürokratie“ im hiesigen Kreis habe daraufhin ein Bußgeld in Höhe von 500 Euro verhängt.
Dies schien dem Richter nicht mehr nachvollziehbar. „Bürokratie darf nicht zu seltsamen Ergebnissen führen“, bemerkte er, „,Traces’ hat genau das Gegenteil von dem bewirkt, was es sollte.“ Und stellte dann fest: „Eine Verurteilung kann hier nicht rechtens sein.“ Da die Vereinsvorsitzende und ihre Anwältin eine Einstellung des Verfahrens nicht akzeptieren wollten, sprach der Richter ein Urteil. Und das lautete kurz und bündig: „Freispruch“.
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